Wo stehen wir? Zur aktuellen Lage des sozialen Anarchismus


Marian Alfred Masur
Anarchismus

In diesem Artikel versuchen wir zunächst, einen Überblick über die Entwicklung des sozialen Anarchismus im deutschsprachigen Raum seit 2019 zu geben. Dann skizzieren wir den gesellschaftlichen Hintergrund, vor dem diese Entwicklung stattfand, um die Ursachen sowohl des momentanen Aufschwungs, als auch einiger Schwächen unserer Bewegung besser verstehen zu können. Davon ausgehend möchten wir einige Aufgaben benennen, die wir in der nächsten Zeit angehen sollten. Unter sozialem Anarchismus verstehen wir sozialistischen, organisierten, klassenkämpferischen Anarchismus aller kollektiven Ausprägungen, in Abgrenzung zu einem individualistischen oder primär subkulturellem Anarchismus.

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Bestandsaufnahme

Wir beginnen unsere Bestandsaufnahme Anfang 2019, da dies der Startpunkt der „anarchakommunistischen Föderation die Plattform“ war. Selbstverständlich hat es schon vorher sozialen Anarchismus in unterschiedlichen Formen in Deutschland gegeben, aber die letzten vier Jahre des Aufbaus waren dennoch herausragend. Dies zum einen, weil mit dem Plattformismus beziehungsweise Especifismo ein für den deutschsprachigen Raum völlig neuer Ansatz des sozialen Anarchismus etabliert wurde. Zum anderen, weil in dieser Zeit eine generelle Zunahme von verschiedensten Projekten unserer Tendenz zu verzeichnen ist. Diese Entwicklung kam natürlich nicht aus dem Nichts, sondern wurde unter anderem durch den immer erfolgreicher werdenden Aufbau der anarchosyndikalistischen „Freien Arbeiter:innen Union“, sowie einer gewissen Rückbesinnung auf den Klassenbegriff innerhalb der radikalen Linken vorbereitet. Von Klassenkampf zu sprechen war unter antiautoritären Linken über viele Jahre eher verpönt und wurde mit Leninismus gleichgesetzt. Mittlerweile gab es jedoch einen spürbaren Paradigmenwechsel in dieser Frage.

Der Aufbau des sozialen Anarchismus der letzten Jahre passierte nicht zufällig, sondern wurde von unterschiedlichen Akteur:innen bewusst vorangetrieben. Um einen Eindruck von dieser Entwicklung zu geben, listen wir im Folgenden Projekte und Organisationen aus dem deutschsprachigen Raum auf, die dem sozialen Anarchismus angehören bzw. nahestehen. Bei allen ab 2019 entstandenen Strukturen ist das Gründungsjahr angegeben, um das Anwachsen dieser politischen Strömung zu verdeutlichen.

Gewerkschaften:

  • Freie Arbeiter*innen Union: aktuell in 40 Orten mit Syndikaten oder Initiativen für Syndikate vertreten. Davon um die sieben seit 2019 neu entstanden, sowie ein niedriges vierstelliges (!) Wachstum an Mitgliedern.
  • Freie Arbeiter*innen Union Schweiz: aktuell mit vier Regionsansprechbarkeiten, ebenfalls starkes Wachstum, früher gab es nur eine FAU in Bern.
  • Industrial Workers of the World in Deutschland, Schweiz und Österreich: Wien, Innsbruck, Vorarlberg, Hamburg, Leipzig, München, sowie Einzelmitglieder in diversen Städten.
  • Wiener ArbeiterInnen-Syndikat: letzte reale Organisation der IAA im deutschsprachigen Raum, die recht umtriebig ist. Ein Interview zum WAS findet ihr auch hier auf anarchismus.de
  • unter_bau Hochschulgewerkschaft Frankfurt: welche ähnlich wie die IWW eher in einem solidarischen Verhältnis mit großer Überschneidung zum sozialen Anarchismus steht, als sich ihm zugehörig zu fühlen.

Anarchosyndikalistische Jugend:

  • ASJ Österreich: 2020 in Wien gestartet, 2021 folgte dann eine weitere Initiative in Salzburg, 2022 in Linz und Niederösterreich Süd/Burgenland Nord. Wien weiter aktiv, anderen drei Städte unklar ob noch existent.
  • Freie Arbeiter:innen Jugend: 2021 entstanden und die Jugendorganisation der FAU Schweiz, ein weiteres Indiz für den starken anarchosyndikalistischen Aufbau in der Schweiz.
  • ASJ Bonn: letzte verbliebene ASJ Gruppe in Deutschland.
  • Autonomes Schüler:innensyndikat Berlin (2021)

Vom Plattformismus und Especifismo beeinflusste Organisationen:

  • anarchakommunistische Föderation die Plattform: 2019 als Initiative gestartet, aktuell fünf Lokalgruppen im Ruhrgebiet (2020), Berlin (2020), Trier (2020), Leipzig (2021), Köln (2022), sowie Einzelmitglieder in diversen Städten.
  • Perspektive Selbstverwaltung aus Berlin (2019)
  • Libertäre Aktion Bern (2019)

Alleinstehende Organisationen unterschiedlichster Art:

  • Anarchist Black Cross Berlin und Dresden
  • Anarchistische Gruppe Regensburg (2019)
  • Anarchakommunistische Bewegung Hamburg (2021)
  • Anarchosyndikalisten München (2022)
  • Auf der Suche Nürnberg
  • Autonome Bande Augsburg (2021)
  • Institut für Syndikalismusforschung
  • La Banda Vaga (Freiburg)
  • Libertäre Brise Schwerin
  • Libertäre Saat Neumarkt (2023)
  • Schwarze Katze Dresden (2023)
  • Sabot 44 Berlin (2019)
  • Spektrum 360 – libertäre Linke Erzgebirge
  • Anarchistische Bewegung Magdeburg (2021)

Zentren und Gewerkschaftslokale:

  • FAU Gewerkschaftslokale: Berlin, Bielefeld, Düsseldorf, Hannover, Jena, Leipzig seit 2020, Plauen seit 2021.
  • Anarchistische Bibliothek Wien seit 2021 in neuen Räumlichkeiten
  • Anarchistischer Laden Berlin
  • Anarchistisches Zentrum Black Pigeon Dortmund
  • Infoladen Black Mask Finsterwalde
  • Infoladen Salzburg
  • Schwarze Raupe Graz
  • malobeo – alternatives Cafe & anarchistische Bibliothek Dresden
  • A Tram München seit 2021

Sonstige Räume, Betriebe:

  • Betrieb, ACS Copy Service (2021)
  • Archive Carl Roche
  • Union Coop
  • Wohnprojekt Villa Galgenberg & Umsonstladen Nürtingen

Medienprojekte Podcast, Radio, Video und Film:

  • Übertage Podcast und mehr (2021)
  • Radio Alerta (2022)
  • Nordwest Passage Podcast (2022)
  • Anarchie & Cello Podcast (2021)
  • AnarchWie? Podcast (2021)
  • Nächste Links Podcast (2022)
  • zamdoa Podcast (2021)
  • Aktion & Alltag Videos (2022)
  • Arguments 4 Future Videos (2021)
  • Bon Bon Stimmung Videos (2021)
  • Sabcat Media Film

Medienprojekte Mailorder, Verlage:

  • Anarchia-Versand, Mailorder
  • Assoziation A, Verlag
  • Edition Assemblage, Verlag
  • reso.media, Verlag und mehr
  • Syndikat-A, Verlag
  • Unrast Verlag
  • Verlag Barrikade
  • Edition AV, Verlag
  • Koma – Kollektiv Markt (2023)

Medienprojekte Blogs, Webseiten & Zeitungen:

  • anarchismus.at, Webseitenprojekt– communaut, Rätekommunistischer Blog
  • Die Karte, Webseite zu Historischen Anarchismus im Rheinland
  • anarchismus.de (2022)
  • Webseite über die historische ASJ Stuttgart (2023)
  • tsveyfl, Webseite und Zeitschrift
  • Direkte Aktion, online Zeitung/Blog
  • ohnechef.noblogs.org (2021), Webseite welche sich mit der Übernahme der Betriebe beschäftigt
  • Contraste – Zeitschrift für Selbstorganisation
  • Wildcat, operaistische Zeitschrift

Die Liste ist von unserer Strukturseite auf anarchismus.de übernommen, die sicherlich nicht vollständig ist, aber seit einem Jahr sehr intensiv gepflegt und aktualisiert wird, wodurch sie die beste Übersicht ist, die wir haben. Strukturen, die sich dem sozialen Anarchismus im weitesten Sinne(!) verbunden fühlen und hier fehlen, können sich für eine Eintragung gerne unter info@anarchismus.de melden.

Die Liste zeigt uns, dass es einen massiven Ausbau im Bereich der organisierten Strukturen und Gewerkschaften sowie im Bereich der Medienprojekte gab. In anderen Bereichen ist der Stand eher gleichbleibend oder leicht positiv. Auch wenn man berücksichtigt, dass, wie üblich, einige der Neugründungen von Anfang an mehr tot als lebendig waren, ist die Entwicklung doch beachtlich und es ist schön zu sehen, dass sich unsere Ausgangslage so stark verbessert hat. In den Mühen des Alltags gehen solche positiven Entwicklungen häufig unter.

Klar ist auch, dass diese Entwicklung mit dem Ableben von anderen anarchistischen Strukturen, speziell im Bereich des strömungsübergreifenden (synthetischen) Anarchismus, einherging. Mit der ab 2019 steigenden Bedeutung von klassenkämpferischen Ansätzen nahm der Einfluss des synthetischen Anarchismus ab. Nach wie vor ist dieser innerhalb des Anarchismus sehr bedeutsam, allerdings ist er erheblich schlechter organisiert als noch 2017/18, als in der Föderation deutschsprachiger Anarchist:innen (FdA-IFA) über 30 Gruppen zusammengeschlossen waren, mit zwei angeschlossenen Lokalföderationen und der eigenen Zeitung GAIDAO. Aktuell besteht die FdA noch aus 5-7 real existierenden Gruppen, die beiden Lokalföderationen „A-Netz Südwest“ und „Anarchistische Föderation Rhein/Ruhr“ gibt es nicht mehr, ebenso hat die GAIDAO ihr erscheinen 2021 eingestellt.

Während sich vor 2019 neue anarchistische Projekte abseits der FAU mehr oder weniger bewusst dem synthetischen Anarchismus zugeordnet haben, beschreibt sich jetzt ein Großteil der Neugründungen als anarchokommunistisch, klassenkämpferisch oder Ähnliches. Selbst wenn die Substanz dieser Selbstbeschreibung oftmals eher fraglich bleibt, wird hier doch eine Verschiebung von Diskursen und Entwicklungstendenzen innerhalb des anarchistischen Spektrums deutlich. Um sowohl dieses neue Interesse am Klassenkampf, als auch die Tatsache, dass sich dieses bislang oft eher eine Phrase denn als reale Aktion äußert, besser zu verstehen, sei uns im Folgenden ein kleiner Exkurs gestattet.

Gesellschaftlicher Hintergrund

Zum Verständnis des gesellschaftlichen Kontexts, in dem die gegenwärtigen Aufbaubemühungen eines klassenkämpferischen Anarchismus stattfinden, ist der von der US-amerikanischen FeministinNancy Fraser geprägte Begriff des „progressiven Neoliberalismus“ 1 gut geeignet. Fraser versteht darunter eine Politik, die einerseits das klassische neoliberale Programm der Privatisierung öffentlichen Eigentums, der Deregulierung von Arbeitsverhältnissen und der Umverteilung von unten nach oben vorantreibt, es andererseits aber versteht, sich ein „progressives“, auf „Diversität“ und „Gleichberechtigung“ bedachtes Image zu geben. Ermöglicht wurde eine solche Politik dadurch, dass seit den 1980er Jahren große Teile der neuen sozialen Bewegungen eine grundsätzliche Kritik des Kapitalismus und der Klassenverhältnisse aufgegeben und sich dem Kampf um symbolische Anerkennung von Minderheiten (z.B. durch Sprachpolitik und „Sichtbarmachung“ in den Medien) zugewandt haben – bzw. einer Form der Gleichberechtigungspolitik betreiben, die einzelnen Minderheitenvertreter:innen Aufstiegschancen ermöglichen will, ohne die gesellschaftlichen Hierarchien an sich anzugreifen. Teile der Herrschenden wiederum haben sich die Rhetorik feministischer, antirassistischer und queerer Diskurse zu eigen gemacht bzw. sich von deren Forderungen die Aspekte herausgepickt, die den Interessen des Kapitals entgegenkommen (z.B. Integration neuer gesellschaftlicher Gruppen in den Arbeitsmarkt).

In Deutschland wurde der progressive Neoliberalismus zum ersten Mal mit der rotgrünen Schröder- Regierung hegemonial, die Hartz-4 einführte und einen der ausgeprägtesten Billiglohnsektoren Europas schuf, zugleich aber zum „Aufstand der Anständigen“ gegen rechts aufrief, sich zum Multikulturalismus bekannte und sich die Gleichberechtigung der Geschlechter auf die Fahnen schrieb. Merkel und Scholz führten diese Linie weiter, tatkräftig unterstützt vom öffentlich- rechtlichen Funk und Fernsehen sowie fast allen etablierten Zeitungen. Es hat ein gesellschaftlicher Kulturwandel stattgefunden, vieles, was vormals hauptsächlich in der linken Szene oder an den Unis anzutreffen war, findet Eingang in den Mainstream: Gendern wird in vielen Fernsehformaten immer normaler, aus städtischen Verwaltungsgebäuden weht die aktualisierte Version der Regenbogenfahne, in Schulbüchern heißen die Kinder nicht mehr nur Simon oder Lena, sondern ab und zu auch Ayse oder Mohamed. Gegen all das gibt es wiederum seit einigen Jahren einen Backlash von rechts, von einem Milieu, das diesen kulturellen Wandel ablehnt und traditionelle Geschlechterrollen, Familienwerte und eine ethnisch homogene Nation erhalten will. Auf der anderen Seite wurde in Teilen der linksradikalen Szene materialistische Kritik immer mehr durch moralistische Kritik ersetzt, wodurch sie sich dem Diskurs des progressiven Neoliberalismus von Rotgrün angenähert haben. Sie sind letztlich zu wenig mehr als Anhängseln der ideologischen Staatsapparate geworden, die viele Projekte der Herrschenden der letzten Jahre faktisch unterstützt und sich dabei nur ein wenig radikaler gebärdet haben. Sei es, dass sie in der Pandemie mit ihrem Moralismus der Strategie des Staates assistierten, die Verantwortung für die Gesundheitsmisere individuellem Fehlverhalten zuzuschieben oder dass sie jetzt der ideologischen Rechtfertigung des neuen Militarismus zuarbeiten, indem sie den Gegensatz zweier imperialistischer Machtblöcke zum Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei verklären. Und es scheint, dass nicht wenige Linke die Verunsicherung darüber, dass sie in vielen Fragen faktisch im Lager der Regierung stehen, dadurch kompensieren, dass sie umso aggressiver gegen vermeintliche „Schwurbler:innen“; „Querfrontler:innen“; „Putinversteher:innen“ oder „Transfeinde“ in den eigenen Reihen hetzen. Den Rechten kommt all das wiederum zugute, da sie sich so umso leichter als einzige Opposition gegen die bestehende Ordnung stilisieren können.

Eine verrückte Situation – aber wahrscheinlich ist es gerade diese Konstellation, die den jüngsten Aufschwung des klassenkämpferischen Anarchismus begünstigt hat. Im Zuge der Pandemie und des Ukraine-Kriegs hat sich allgemein das Gefühl verbreitet, dass die Welt, wie wir sie kennen, äußerst zerbrechlich geworden ist und mit jeder neuen Krise näher an den Abgrund rückt. Die derzeitige Teuerung stellt den größten Angriff auf unsere Lebensbedingungen seit Jahren dar und könnte dabei nur ein Vorgeschmack auf künftige Verarmung sein. Breiter Widerstand von unten wäre da notwendiger denn ja, aber zugleich haben wir eine vom Liberalismus durchdrungene radikale Linke, die weniger denn je in der Lage scheint, dafür Impulse zu geben. Angesichts dessen ist es nicht überraschend, dass in den letzten Jahren wieder mehr Leute den Wunsch entwickeln, aus der Szenebubble und ihrem fruchtlosen Treiben auszubrechen, um endlich zusammen mit anderen Lohnabhängigen im Stadtviertel und im Betrieb ernsthaft für eine Verbesserung unserer Lebensverhältnisse zu kämpfen.

Künftige Aufgaben

So erfreulich diese Entwicklung ist, sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die aktuelle Renaissance des sozialen Anarchismus noch ganz am Anfang steht und nach wie vor weit davon entfernt ist, ein relevanter gesellschaftlicher Akteur zu sein. Im Folgenden sollen daher einige Schwachstellen unserer Bewegung benannt und mögliche Schritte aufgezeigt werden, um diese zu beheben.

Liberale Einflüsse überwinden

Die Aktiven unserer Tendenz des sozialen Anarchismus rekrutieren sich zu großen Teilen aus der oben beschriebenen radikal-liberalen linken Szene. Es ist daher nicht verwunderlich, dass wir innerhalb der eigenen Reihen immer wieder auf eben die Herangehensweisen treffen, die wir eigentlich überwinden möchten. Wenn zum Beispiel bei einigen die Sorge größer ist, beim falschen Gendern oder beim Verwenden von „unkorrekten“ Begriffen erwischt zu werden, als eine Sprache zu finden, die von den Massen wirklich verstanden wird, so ist klar, dass wir uns von der Szene noch nicht wirklich gelöst haben. Eine andere politische Kultur erreichen wir nicht einfach, indem wir uns ein neues Label verpassen oder einem gut formulierten Grundsatzprogramm zustimmen. Dazu sind unter anderem intensive interne Diskussionen über verschiedenste Gegenstände, gemeinsames Kochen, Essen, Wandern, Sport treiben etc. und vor allem eine gemeinsame gesellschaftliche Praxis nötig, die ständig strategisch reflektiert wird.

In den gesellschaftlichen Großkonflikten der letzten Jahre gibt es als öffentlich wahrnehmbare Positionen meist nur den herrschenden progressiven Neoliberalismus und eine rechtspopulistische Opposition. Die radikale Linke konzentriert sich häufig darauf, die Rechten zu bekämpfen und verzichtet auf eine konsequente Kritik der liberalen Seite – sei es aus Angst, den Rechten in die Hände zu spielen, sei es, weil sie in Wahrheit selbst kaum weitergehende Ambitionen hat. Mit dieser Logik müssen wir unbedingt brechen – wir müssen uns in allen relevanten Fragen als dritter Pol in der Debatte etablieren – als revolutionäre Infragestellung sowohl des neoliberalen Mainstreams als auch der populistischen Pseudo-Opposition.

Es geht nicht darum, reflexartig alles abzulehnen, was der liberale Mainstream vorantreibt. Selbstverständlich ist es z.B. begrüßenswert, wenn queere Jugendliche heute weniger Ablehnung von ihrem Umfeld erfahren und sich leichter outen können als dies vor 20 Jahren der Fall war. Aber wenn Abseits von Diskussionen über Sprache, Rollenbilder etc. eine materialistische Analyse davon auf der Strecke bleibt, warum der liberale Staat so um diesen Kulturwandel bemüht ist, was das Patriarchat heute ist, wie es wirkt und wie wir Klassenkämpfe mit feministischen Kämpfen verbinden können, bleibt nicht mehr viel übrig, was uns Abseits von radikaler Rhetorik von der grünen Partei trennt.

Um es an einem weiteren Beispiel zu verdeutlichen: In den Jahren seit der Flüchtlingskrise 2015 hat die linke Szene den Rassismus der AfD angeprangert, offene Grenzen gefordert und Geflüchtete praktisch unterstützt. All das war richtig und verdienstvoll. Um den Rechten keine Argumente zu liefern, wurde jedoch kaum thematisiert, dass der Zuzug von Migrant:innen unter kapitalistischen Bedingungen in bestimmten Standvierteln durchaus zu einer Verschärfung der Konkurrenz um Wohnungen, Kitaplätze und Jobs führen kann. Damit hatte die radikale Linke aber der verlogenen staatlichen „Willkommenskultur“ wenig entgegenzusetzen. Sie fand keine Antwort auf die Strategie des liberalen Kapitals, ihren Hunger nach ausbeutbaren Arbeitskräften als selbstlosen Akt der Nächstenliebe darzustellen und damit zynisch die sozialen Folgen ihrer neoliberalen Politik zu kaschieren. Eine revolutionäre Position in dieser Frage müsste darin bestehen, die Verschärfung sozialer Widersprüche durch Migration nicht zu verschweigen, aber darauf hinzuweisen, dass die Antwort darauf eben nicht rassistische Ausgrenzung und der Ruf nach Grenzschließungen, sondern der gemeinsame Kampf aller Lohnabhängigen gleich welcher Herkunft gegen ihre Ausbeutung und Unterdrückung sein muss.

Reale klassenkämpferische Praxis entwickeln

Es ist erfreulich, dass es wieder normaler geworden ist, sich in anarchistischen Kreisen als klassenkämpferisch zu bezeichnen. Jedoch bleibt dies noch viel zu oft eine bloße Floskel, eine neue Identität ohne reale Umsetzung. Das hat zum einen subjektive Gründe: Wir sind häufig noch stark in subkulturellen Umgangsformen verhaftet; die unterschwellige Angst, unsere Utopien nicht in einfachen Worten erklären zu können oder mit sexistischen oder rassistischen Äußerungen konfrontiert zu werden, lässt uns den Umgang mit Menschen abseits der Szenerealität scheuen und lieber unter Unseresgleichen bleiben; anarchistische Zentren bieten, teilweise entgegen ihrem eigenen Anspruch, hauptsächlich Szene-Veranstaltungen anstatt sich für die Menschen im Viertel zu öffnen, etc. pp. Hier müssen wir weiter an uns arbeiten und danach streben, unseren Ansprüchen gerechter zu werden.

Aber es gibt auch objektive Gründe, die es selbst Leuten, die ernsthaft an klassenkämpferischer Praxis interessiert sind, häufig erschwert, dafür Ansatzpunkte zu finden. Wir leben in einer stark individualisierten Gesellschaft, wo es kaum kämpferische Traditionen in den Betrieben und wenig Erfahrungen mit kollektivem Widerstand in den Nachbarschaften gibt. Viele von uns arbeiten in Dienstleistungsberufen unter (schein)selbstständigen Beschäftigungsbedingungen, in denen es nicht leicht ist, sich mit Kolleg:innen zusammenzutun. All dies macht es für uns schwieriger, uns in reale Kämpfe einzubringen als dies beispielsweise aktuell für Genoss:innen in Frankreich ist. Diese Hindernisse gilt es zur Kenntnis zu nehmen; sie dürfen aber auch nicht als Ausrede genommen werden, nicht zu versuchen, zu einer relevanten Massenarbeit zu kommen. Dass eine solche auch hierzulande möglich ist, zeigen etwa aktuelle Ansätze der Stadtteilarbeit in Bremen. 2

Die freie Rede verteidigen

Es gehört zu den Merkwürdigkeiten unserer Zeit, dass dem progressiven Neoliberalismus, der die moralische Überlegenheit seines Gesellschaftsmodells auftrumpfend hinausposaunt, eine urliberale Tugend immer mehr abhanden kommt: das Prinzip der freien Rede. Die Bereitschaft, Andersdenkenden zuzuhören, abweichende Meinungen zuzulassen und in der Öffentlichkeit kontroverse Debatten zu führen, schwindet in besorgniserregendem Maße. Wer zu Corona oder zur Ukraine die offizielle Sichtweise nicht teilte, wurde schnell aus dem medialen Diskurs ausgeschlossen; für andere Themen gilt Ähnliches. Vielleicht hängt diese neue Intoleranz damit zusammen, dass die offizielle Ideologie sehr dünn geworden ist und die Herrschenden immer weniger Pluralismus zulassen, weil sie fürchten, dass sich die Infragestellung einzelner Aspekte unseres Gesellschaftssystems schnell zu einer Generalabrechnung ausweiten könnte, deren Folgen für sie nicht mehr kontrollierbar wären.

Wie dem auch sei, jedenfalls hat die Unlust zur Kontroverse mehr auf die radikale Linke abgefärbt als uns lieb sein kann. Es gibt wenig Offenheit für Diskussionen mit Leuten, die andere Positionen vertreten. Die Bereitschaft, anderen linken Gruppen oder Aktivist:innen aufgrund einzelner Aussagen (oder auch nur aufgrund des Kontaktes mit Dritten, die solche Aussagen getätigt haben) die Zusammenarbeit aufzukündigen, ist erschreckend hoch. Texte werden teilweise weniger aus Interesse an einem inhaltlichen Austausch gelesen, sondern vielmehr auf „verdächtige“ Formulierungen gescannt, um, sofern sich solche finden, die Autor:innen skandalisieren zu können. Sicher hat der Umstand, dass viele in den letzten zehn Jahren neu hinzugekommene Aktivist:innen wahrscheinlich stärker durch die (a)sozialen Medien als durch reale Begegnungen bei Versammlungen oder auf der Straße politisch sozialisiert wurden, ein Übriges getan, dass sich solche Umgangsformen ausbreiten konnten. War es vor ein paar Jahren noch vor allem das Thema des Nahostkonflikts, so sind es aktuell insbesondere feministische Themen wie die Einschätzung des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes für Transpersonen oder die Haltung zu Prostitution bzw. Sexarbeit, bei denen moralisierende Aufgeregtheit von allen Seiten eine sachliche Debatte tendenziell unmöglich macht. Völlig unerträglich und auch gefährlich wird es, wenn dies soweit geht, dass Linke zum Stören linker Veranstaltungen aufrufen oder sich gar vor den jeweiligen Versammlungsorten ein Mob bildet, der Besucher:innen bepöbelt, bedrängt und körperlich attackiert.

Unserer Einschätzung nach beteiligen sich Leute aus dem Spektrum des klassenkämpferischen Anarchismus weniger stark an den beschriebenen Auswüchsen der Cancel Culture als andere linksradikale Milieus, unsere Tendenz ist aber auch nicht frei davon. Teilweise herrscht in unseren Kreisen auch die Meinung vor, dass wir uns aus solchen „Szenequerelen“ heraushalten und uns stattdessen um „ernsthafte politische Arbeit“ kümmern sollten. Diese Haltung ist verständlich, letztlich aber nicht sinnvoll. Wir denken, dass wir hier klar Stellung beziehen sollten und zwar weniger für oder gegen die eine oder andere Seite im jeweiligen Streit, sondern für die Möglichkeit, ohne Angst seine Meinung sagen zu können. Die Freiheit der Rede ist keine Szeneangelegenheit. Sie ist eine Grundvoraussetzung jedes Kampfes um Befreiung. Soziale Bewegungen der unterdrückten Klasse brauchen unbedingt Orte, an denen es möglich ist, sich ungehindert über politische Interessen und Perspektiven zu verständigen, wo Widersprüche produktiv ausgetragen und auch einmal scheinbar „dumme Fragen“ gestellt werden dürfen, wo Leute nicht verurteilt werden, weil sie ein ungeschliffenes Vokabular verwenden. Wo all dies nicht möglich ist, entsteht ein Klima der Einschüchterung und des Konformismus und das ist Gift für jede emanzipatorische Bewegung. Uns geht es darum eine offene Fehler- und Diskussionskultur zu schaffen, in der wir uns wieder mehr zuhören, versuchen, das Gegenüber zu verstehen, aber gleichzeitig hart an der Sache diskutieren können. Und ja, es gibt Grenzen einer sinnvollen Debatte; faschistischen Kräften und eindeutig rassistischen oder sexistischen Positionen sollten wir z.B. tatsächlich keinen Raum bieten. Wo diese Grenzen genau liegen, wäre zu diskutieren. Sie sollten aber definitiv weniger rigide sein als im gegenwärtigen linksliberalen bzw. -radikalen Diskurs.

Theoriebildung vorantreiben

Wir haben aktuell eine sehr schwache Theorieentwicklung innerhalb des sozialen Anarchismus. Podcast- und Webseiten-Projekte, inhaltliche Veranstaltungen oder mal der ein oder andere inhaltliche Blogbeitrag einer Gruppe sind keine Theoriebildung, sondern höchstens das Verbreiten von Informationen und Diskussion. Bis auf wenige Beiträge aus dem Syndikalismus sowie von ein paar Projekten und Einzelpersonen, gibt es aus unserem Milieu so gut wie keine Weiterentwicklung einer kritischen Theorie der Gesellschaft. Dies ist fatal, da wir unbedingt ein klares Verständnis der Welt brauchen und wissen müssen, wo wir mit ihr hin möchten, um sie grundlegend zu verändern. Der historische Anarchismus in Verbindung mit einer marxistischer Analyse des Kapitalismus sowie einigen anderen radikalen Theorietraditionen haben uns dafür eine gute Ausgangslage gegeben. Es bedarf jedoch der Weiterentwicklung auf vielen Ebenen, um den aktuellen gesellschaftlichen Umbrüchen Rechnung zu tragen.

„Würde Marx heute unter die Lebenden zurückkehren, würde er vermutlich seine paar noch verbliebenen Schüler dazu drängen, weniger Zeit mit der Lektüre des Kapitals und mehr Zeit mit dem Studium des Internets und des menschlichen Genoms zu verbringen“ 3 , spottet der liberale Historiker Yuval Noah Harari über die linksradikale Gesellschaftskritik der Gegenwart. Er hat zwar insofern unrecht, als die Analysen von Marx für das Verständnis der grundlegenden Struktur und Dynamik der kapitalistischen Gesellschaft nach wie vor unerlässlich sind. Aber er hat vollkommen recht, dass wir in Wahrheit kaum eine Ahnung davon haben, was die auf uns zurollenden technologischen Umbrüche rund um künstliche Intelligenz und Biotechnologie für unsere Kampfbedingungen und unser Projekt einer herrschaftsfreien Gesellschaft bedeuten. Und Anarchist:innen sind diesbezüglich sicher nicht besser aufgestellt als Marxist:innen! Dasselbe gilt auch auf anderen Gebieten. Wir müssen uns sputen, wenn wir mit den rasanten Veränderungen der modernen Welt Schritt halten wollen. Es wäre erfreulich, wenn in unseren Kreisen eine neue Kultur des Forschens, des Selbst-Denkens und der angstfreien Diskussion entstehen würde. Wir dürfen uns weder damit begnügen, die Begriffe der radikalen Theorie vergangener Epochen mechanisch auf die Verhältnisse des 21. Jahrhunderts anzuwenden, noch dürfen wir darauf vertrauen, dass uns Expert:innen der bürgerlichen Wissenschaft oder Faktenchecker:innen der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten die Welt erklären.

Medienarbeit ausbauen

Der Anarchismus hatte schon immer eine schlechte Presse. Das galt damals beim historischen Anarchismus und gilt heute in Zeiten von TikTok noch genauso. Ja, wir haben ein bisschen verloren gegangenen Boden gut gemacht. Speziell im Podcast-Game stehen wir sogar gar nicht so schlecht da! Dennoch sind dies allerhöchstens erste Schritte. Wir brauchen mehr und unterschiedliche Medienprojekte, nicht nur Podcast, sondern auch Projekte, die hauptsächlich auf TikTok stattfinden, hauptsächlich aufwendigere Videos machen, hauptsächlich Livestreams machen. Vor allem aber brauchen wir mehr unterschiedliche Menschen, die sich zeigen und eine Projektionsfläche bieten. Jede:r neue Genoss:in, welche ein aktives Medienprojekt startet, bringt wieder eine eigene spannende Herangehensweise mit und macht unsere Ideen damit für neue Kreise von Menschen zugänglich. Starke Medienprojekte zu haben ist in diesen Zeiten eine Kernvoraussetzung für uns als Bewegung, um Massen zu erreichen. Wenn wir uns die politische Rechte ansehen, können wir feststellen, wie sie mit einer Vielzahl sehr diverser Projekte leider erfolgreich ist, aktiv den gesamtgesellschaftlichen Diskurs mit zu prägen. Um dagegen anzugehen, brauchen wir eigene Sprachrohre, die eine Gegenöffentlichkeit in unserem Sinne schaffen. Das bedeutet im Übrigen auch, dass die Medienprojekte aus unserem Spektrum, die es bereits gibt, von unserer Bewegung insgesamt gefördert und verbreitet werden sollten, auch wenn man nicht mit allem 100% übereinstimmt. Wir sollten eher einen Vertrauensvorschuss geben, anstatt dass sich Projekte erst über Jahre beweisen müssen, bevor sie angenommen werden.

Strategisch handeln

Es gibt in unseren Kreisen nach wie vor eine eher schwache Strategiediskussion und viele der formulierten Strategien erfahren nur geringe Umsetzung in der Realität. Die Plattform hat, wie es ihre Aufgabe als revolutionäre Organisation ist, zu einer Vertiefung der Strategiediskussion innerhalb des sozialen Anarchismus beigetragen. Aus der FAU bzw. dem Syndikalismus gibt es sowieso einen kleinen, aber stetigen Strategiediskurs in der Bewegungsöffentlichkeit und auch die neu entstandene Podcastkultur sowie anarchismus.de haben ihren Anteil an einer Verbesserung des strategisches Diskurses. Nach wie vor ist dieser Diskurs aber unzureichend, was auch daran liegen könnte, dass es kein bewegungsübergreifendes Organ dafür gibt. Anarchismus.de hat aus Gründen ebenfalls erst einmal keinen Schwerpunkt darauf gelegt, in der Zukunft könnte es aber eventuell auf dieser Internetseite mehr Raum für Strategiediskussionen geben. Vor allem aber gibt es häufig einfach keine Umsetzung des Formulierten. Das lässt sich vor allem an der Debatte um die Sozialproteste gegen die Teuerungen sehen. Die praktischen Impulse, welche über die szeneinterne Diskursebene hinaus gingen, waren viel zu gering. Auf unsere Worte muss dringend mehr reale Praxis, reale Kooperation mit Menschen aus unseren Vierteln und Betrieben folgen. Immer noch fokussieren sich viel zu viele Zusammenhänge auf 1000 andere Dinge, anstatt endlich mit strategischer Massenarbeit zu beginnen.

Die revolutionären Kräfte organisieren

Es braucht revolutionäre Organisationen. Organisationen also, die über eine ausgearbeitete kritische Theorie der bestehenden Gesellschaft und über eine klare Vorstellung vom Ziel einerherrschaftsfreien Welt verfügen und die zugleich in realen Kämpfen der Massen verankert und bestrebt sind, diese Kämpfe zu intensivieren, zu verbinden und in den Bewegungen Ideen und Strategien für die revolutionäre Überwindung des Bestehenden zirkulieren lassen. Der Plattformismus beansprucht, eine spezifisch anarchistische Antwort auf die Organisationsfrage zu geben, indem er theoretische und strategische Einheit mit einer nicht-hierarchischen und dezentralen Struktur zu verbinden sucht. Seit 2019 sind im deutschsprachigen Raum mit der „anarchakommunistischen Föderation die Plattform“, der „Perspektive Selbstverwaltung“ in Berlin und der „Libertären Aktion“ in Bern mehrere Organisationen entstanden, die von den Ideen des Plattformismus bzw. des Especifismo, einer lateinamerikanischen Strömung, die dem Plattformismus sehr ähnlich ist, inspiriert sind. Jedoch konnte der hohe Anspruch des Plattformismus bislang nicht eingelöst werden. Von den genannten Strukturen geht weder eine vorwärtsweisende Theorieentwicklung aus, noch verfügen sie über eine reale Verankerung in den Massen und ihren Kämpfen. Bis auf wenige Ansätze findet keine kontinuierliche und ernsthafte Einmischung in soziale Kämpfe bzw. Aufbau von revolutionärer Basisarbeit statt.

Bei der Beurteilung dieses relativen Misserfolgs müssen wir fairerweise anerkennen, dass es vor 2019 überhaupt keine organisatorische oder personelle Grundlage oder Tradition des Plattformismus im deutschsprachigen Raum gab. Selbst an Texten auf Deutsch hat es massiv gemangelt und bis heute sind viele zentrale Texte nicht auf Deutsch verfügbar. Dennoch gehört es zur Wahrheit, dass es bis dato nicht gelungen ist, die Organisation zu schaffen, die wir uns im plattformistischen Aufbauprozess gewünscht haben. Die Gründe dafür sind vielschichtig, angesichts des dann doch relativ breiten Interesses an diesem für unsere Region neuartigen Ansatz kommen wir aber nicht umhin, eine gewisse Enttäuschung festzuhalten. Den seit 2019 begonnenen Aufbau des Plattformismus werten wir somit als Grundlagenarbeit, welche die Strömung überhaupt erst etabliert hat. Es ist gelungen, diese Grundlage zu legen, von der aus wir nun weiter voran schreiten können, denn die Aktualität des Ansatzes bleibt unverändert. Jetzt muss es darum gehen, alles daran zu setzen, eine Organisation aufzubauen, welche wahrhaftig ein wichtiger Eckstein der sozialen Revolution wird.

Wir behaupten dabei übrigens keineswegs, dass der Plattformismus das einzig sinnvolle Modell revolutionärer Organisation ist. Die revolutionäre Organisation der Zukunft muss erst noch erfunden werden, alle bestehenden Formationen können sich bestenfalls einmal als deren Keimformen erweisen. Aufgrund dessen begrüßen wir ausdrücklich den friedlichen Wettbewerb unterschiedlicher Ansätze des freiheitlichen Sozialismus um den besten Weg, unserem gemeinsamen Ziel der Überwindung von Ausbeutung und Herrschaft näher zu kommen, Es gibt wie immer viel zu tun, packen wir es an! – Aber lasst uns dabei nicht die kleinen, schönen Dinge des Lebens und sich selbst wertzuschätzen vergessen.

1: Nancy Fraser: Für eine neue Linke oder: Das Ende des progressiven Neoliberalismus, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 2/2017 2: Näheres dazu z.B. in diesem Interview: Basisgruppe Antifaschismus Bremen: „Eine Bewegungssituation gab es nicht.“ (https://communaut.org/de/eine-bewegungssituation-gab-es-nicht) 3: Yuval Noah Harari: Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen, München 2017, S. 422.

Marian

Marian ist seit seiner Jugend in der anarchistischen Bewegung aktiv. Über die Jahre hat er alle Angebote die der Organisierte Anarchismus zu bieten hat abgeklappert von Anarchosyndikalistischer Jugend, Föderation deutschsprachiger Anarchist:innen bis die plattform - anarchakommunistische Föderation und aktuell noch Mitglied bei der Freien Arbeiter:innen Union. Lebens- und Kampfmittelpunkt ist Dortmund, dort an dem Aufbau und Entwicklung diverser wichtiger Projekte beteiligt, wie dem anarchistischen Zentrum Black Pigeon, dem anarchistischen Parkfest oder der anarchistischen 1. Mai Demonstration. Seit 2021 dann Umsetzung mit, dem Genossen Joshua, des Übertage Podcast und Teil vom anarchismus.de Kollektiv. Seit 2023 involviert in den Aufbau des Union Salon, ein neuer revolutionärer Nachbarschaftsraum in Dortmund.

Links: https://linktr.ee/uebertage

Alfred Masur

Der Autor lebt in Dortmund und arbeitet im Bildungssektor.

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